Schon seit Jahren ist der zunehmende Verfall des Bauerhofes im idyllischen Ortskern zu beobachten. Um einen identitätsstiftenden Charakter für Glienicke zu schaffen mit Kirche, renovierten alten Häusern, einem kleinen Park um den Dorfteich mit Bänken zum Verweilen, gilt es, den historischen Bauernhof am Dorfteich zu retten. Er ist nicht nur schön, er ist eines der wenigen wirklich alten Gebäude im Ortskern. Und er steht unter Denkmalschutz – Überlegungen, besonders beschädigte Teile wie die Scheune abzureißen und in gleicher Kubatur als „Fake“ wieder aufzubauen sind daher nur die zweitbeste Lösung.

Das ist selbstverständlich teuer, aber Glienicke hat Glück: Ein Investor ist bereit, die gehörigen Kosten für die denkmalkonforme Renovierung zu schultern. Im Gegenzug möchte er zur Finanzierung Wohnungen hinter dem Hof bauen – dort, wo jetzt die Lagerhausbaracke an der Hattwichstraße steht und ein Stückchen entlang der Goebenstraße. Daran entzündeten sich heftige kommunalpolitische Auseinandersetzungen bis hin zu einer Initiative mit gänzlich anderen Vorstellungen .

Dabei spricht viel für das Projekt des Bauherrn:

Wirklich alte, prägende Gebäude gilt es zu retten, nicht dem Verfall preis zu geben oder durch Nachbauten zu ersetzen, wo dies nicht nötig ist. Wir sind in der glücklichen Lage, noch echte historische Bausubstanz erhalten und wieder mit Leben füllen zu können. Gerne auch der Öffentlichkeit zugänglich, beispielsweise mit einem Lokal in der alten Scheune – einen interessierten Craft-Brauer hier aus dem Ort gibt es, Parkraum wäre entlang der Gartenstraße vorhanden. Eine Terrasse am Dorfteich ist vorstellbar, war bereits einmal im Gespräch.
Es wäre unsozial, den Wohnungsbau gänzlich zu verhindern. Glienicke hat keine 12.500 Einwohner, sein Gesamtpotential dürfte knapp unter 14.000 liegen. Da geht also noch was. Gerade jüngere Familien aus Berlin zieht es verständlicherweise ins grüne Umland. Jede Wohnung, die dort frei wird, entlastet den Berliner Wohnungsmarkt (einschließlich des Mietniveaus). Also bitte etwas Willkommenskultur!
Zumal dies auch ökologisch sinnvoll ist. Statt neue grüne Flächen weiter draußen zu versiegeln und zu bebauen, sollte man möglichst stadtnahe und bereits erschlossene, versiegelte Flächen nutzen und in die Höhe bauen. Das spricht ebenso für unseren Ortskern wie die Überlegung, die unvermeidlichen Pendlerstrecken möglichst kurz zu halten. Die ÖPNV-Anbindung an Berlin vor unserem Ortskern ist gut. Die Frage der Ausgleichsflächen für zusätzlich versiegelten Boden ist noch nicht geklärt, aber die muss der Bauherr ohnehin zwingend nachweisen. Ob die unbedingt im Ort(skern) liegen müssen, ist wohl eher eine Glaubensfrage als tatsächlich klimarelevant.
Ökonomisch sinnvoll ist es allemal, und das nicht etwa nur unter dem Gesichtspunkt der gemeindlichen Steuereinnahmen. Auch die überwiegende Mehrheit des Glienicker Gewerbes und der Gastronomie begrüßt neue, ortsnahe Kunden. Man denke an die pandemiebedingten Einbrüche.
Bleibt die Ästhetik, über die sich bekanntlich trefflich streiten lässt oder auch nicht. Fakt ist: Das Dorfteichumfeld bleibt weitgehend unberührt von den geplanten Wohnungen. Die unansehnliche Lagerhausbaracke an der Hattwichstraße hingegen weicht einem stadtvillenartigen dreiteiligen Gebäude, ein echter Gewinn. Anders als von einer Bürgerinitiative behauptet kein durchgehender Block, und schon gar nicht mit vier Etagen, sondern mit zwei und drei und begrüntem Dach. Die im Kurier kolportierten Impressionen entsprechen längst nicht mehr dem aktuellen Stand – der Bauherr ist der Gemeinde in vielen Punkten weit entgegengekommen, hat den Wohnraum um über 1.000 Quadratmeter gegenüber ursprünglichen Vorstellungen reduziert. Entlang der Goebenstraße sind zwei Stadtvillen mit drei beziehungsweis zwei Etagen plus Staffelgeschoss geplant. Das Haus in der Achse der Scheune mit zwei und drei Geschossen ist ebenfalls kein Monstrum.

Folglich spricht alles dafür, sich mit dem Bauherrn endlich zu einigen statt ihm stets neue Hürden aufzutürmen. Selbstverständlich kann man alles ganz anders machen, wie von der Dorfkerninitiative propagiert. Allerdings stellt sich die Frage, weshalb man der Allgemeinheit Kosten aufbürden soll, die ein Privater zu übernehmen bereit ist und dazu auf all die anderen Vorteile verzichten. Immerhin hat die Gemeinde mit dem dringend benötigten Haus 6 wie diversen Tiefbauaufgaben bereits viel Kostenträchtiges vor sich. Ursprüngliche Überlegungen, den Bauernhof durch die Gemeinde zu kaufen und zu nutzen (als Mehrgenerationenhaus beispielsweise) verliefen alle schnell als illusorisch im Sande.

Statt zu Lasten der Gemeinde finanzielle Forderungen aufzustellen, könnte man der Initiative das Vorbild Centre Bagatelle in Frohnau nahebringen: Dort hat eine Bürgerinitiative, um das Kulturzentrum in der alten Villa zu retten, einen Verein gegründet und Spenden gesammelt, um eigenständig zu kaufen und weiter zu betreiben. Das wäre zumindest eine neue Diskussionsgrundlage.

Dr. Adelheid Gliedner

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