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Der Vorsitzende der Gemeindever-tretung bei seiner Rede am Gedenkkreuz für die Maueropfer (Foto: CDU Glienicke)

Das Unrecht des DDR-Regimes an der innerdeutschen Grenze und der derzeitige Flüchtlingsstrom nach Deutschland – eindrucksvoll schlug der Vorsitzende der Glienicker Gemeindevertretung, Martin Beyer, in seiner Gedenkrede zum 13. August 2015 den Bogen zwischen beiden. Darum lohnt sich die Lektüre seiner Rede, die er bei der gemeinsamen Kranzniederlegung mit dem Bezirksbürgermeister von Reinickendorf, Frank Balzer, am Gedenkkreuz Edelhofdamm/Oranienburger Chaussee hielt.

Hier der Wortlaut:

„Meine sehr geehrten Damen und Herren,
auch ich begrüße Sie und danke Ihnen für Ihr Erscheinen zu diesem wichtigen Gedenken!

Erlauben Sie mir, zu Beginn noch ein ganz persönliches Wort an die 7. Kompanie des Wachbataillons beim Bundesministerium der Verteidigung zu richten.

Dass Sie traditionell diese Gedenkveranstaltung unterstützen und begleiten, erfüllt mich gleichermaßen mit Stolz und mit Dankbarkeit. Sie, als Mitglieder des Wachbataillons unbestrittene Meister militärischen Protokolls und Ehrerweisung, verleihen diesem Ereignis stets besondere Feierlichkeit und Würde. 

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
dies ist nicht irgendein Jahr, um der schändlichen Berliner Mauer und ihrer Opfer zu gedenken. Denn dies ist auch das Jahr, in dem sich zum 25. Mal die Wiedervereinigung jährt.x

Für Sie in Reinickendorf und für uns in Glienicke/Nordbahn ist dieses außerdem das Jahr, in dem wir die Öffnung der Mauer zwischen unseren beiden Mauergemeinden zum 25. Mal feiern durften.

Ein Vierteljahrhundert also, will sagen, fast eine ganze Generation bereits, die nur das glücklich in Frieden und Freiheit wiedervereinigte Deutschland kennt. Und die keine eigene Erinnerung mehr hat an das unmenschliche Grenzregime der DDR und an die Berliner Mauer.

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Martin Beyer mit dem Kranz der Gemeinde Glienicke/Nordbahn (Foto: CDU Glienicke)

Meine Damen und Herren,
es ist erschreckend, wenn eine Infratest Umfrage 2014 zutage förderte, dass nur noch die Hälfte der Befragten den 13. August 1961 als Tag des Mauerbaus identifizieren können. Es ist erschreckend, wenn immer mehr Schülerinnen und Schüler die DDR für demokratisch halten mit dem scheinbar unwiderlegbaren Hinweis, sie habe ja schließlich so geheißen.

Da kann ich dem Ministerpräsidenten meines Bundeslandes Brandenburg nur zustimmen, der die Geschichte der deutschen Teilung in die Abiturprüfung aufgenommen sehen will. Freilich hätte ich ihn und seine Kabinettsmitglieder letztes Jahr auch gerne auf wenigstens einer Mauer-Gedenkveranstaltung gesehen.

Denn, meine Damen und Herren, Vergessen, Unwissenheit oder auch nur schlicht Gleichgültigkeit sind die Wegbereiter einer Verharmlosung oder, schlimmer noch, nostalgischer Verklärung von Mauer, Teilung und der tristen Lebenswirklichkeit in der sozialistischen Diktatur.

Darum sage ich hier ohne Umschweife: Am 13. August gedenken wir eines der widerwärtigsten Ereignisse der jüngeren deutschen Geschichte!

Lassen Sie mich aus John F. Kennedys historischer Rede vom 26 Juni 1963 vor dem Schöneberger Rathaus zitieren: „Die Mauer ist die abscheulichste und stärkste Demonstration für das Versagen des kommunistischen Systems. … (D)ie Mauer schlägt nicht nur der Geschichte ins Gesicht, sie schlägt der Menschlichkeit ins Gesicht.“

Im Morgengrauen jenes August-Sonntags wurden der SED-Staat und der sowjetische Sektor Berlins endgültig zu dem, was sie bis 1989 bleiben sollten: ein großes Gefängnis. An jenem August-Sonntag hatte Walter Ulbricht erreicht, was er, wie wir heute wissen, seit Beginn der 50-ger Jahre angestrebt hatte: das letzte Schlupfloch vom Sozialismus in die Freiheit zu stopfen. 

Familien wurden auseinandergerissen, Freunde getrennt, Lebensplanungen zerstört, Hoffnungen im Keim erstickt. 

Alles im Namen der zynischen Lebenslüge der Sozialistischen Einheitspartei, des sogenannten „antifaschistischen Schutzwalls“. Dessen Wachtürme und Tötungsarsenal freilich nicht etwa gegen den imaginären äußeren Gegner, den sogenannten „Klassenfeind“, sondern nach innen, gegen die eigenen Bürger gerichtet waren. 

Besonders eindringlich sind immer persönliche Eindrücke von Zeitzeugen. Auf einer öffentlichen Podiumsdiskussion beschrieb kürzlich Stephan Hilsberg, Gründungsmitglied der Sozialdemokratischen Partei in der DDR und später Bundestagsabgeordneter, was er beim Mauerbau empfand. Damals etwa sechs Jahre alt, habe er sogar als Kind den Verlust der Freiheit gespürt. Später habe er nachts davon geträumt. Irgendwann wurde der Alptraum zur Normalität.

Hilsbergs Aussage zeigt deutlich: Die Mauer und das DDR-Grenzregime, diese Ausgeburten einer unmenschlichen Ideologie, taten den Menschen Gewalt an. Täglich und ständig.

Alle, die selbst unter der Diktatur sich mühten, mit Anstand ihren Lebensweg zu gehen, oft zurückgezogen in die winzigen Nischen des Privaten, die der sozialistische Leviathan noch zuließ, waren Mauer-Opfer.

Alle, die als Andersdenkende staatlicher Repression, Schikanen, Bespitzelung und drakonischen Strafen ausgesetzt waren, waren Mauer-Opfer.  

Und ganz besonders alle, die den Versuch mit dem Leben bezahlen mussten, das Menschenrecht der Freiheit durch Flucht zu erlangen, waren Mauer-Opfer. 

Mindestens 138 allein entlang der Mauer in Berlin, über 1000 an den restlichen Grenzanlagen der DDR -- genau weiß man es bis heute nicht. Aber wir wissen: Drei dieser Opfer sind hier zwischen Glienicke/Nordbahn und Reinickendorf zu beklagen. Am bekanntesten der junge Michael Bittner, den dieses Kreuz hier ehrt und zu dessen Gedenken wir in Glienicke/Nordbahn einen zentralen Platz benannt haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
nichts, aber auch gar nichts rechtfertigt die Verletzung der Menschenrechte!

Nichts, aber auch gar nichts rechtfertigt die Toten durch Mauer und Stacheldraht, durch Selbstschussanlagen und Schießbefehl!

Übrigens und durchaus nicht nebenbei bemerkt: Auch diese geschichtliche Erfahrung, dieses Wissen, auferlegt uns eine besondere Verantwortung gegenüber denjenigen, die heute bei uns Schutz suchen. In unserem in freier Selbstbestimmung vereinten demokratischen Deutschland.

Nicht zuletzt angesichts des Unrechts, das hier an der Mauer geschehen ist, denke ich in diesem 25. Jahr der Wiedervereinigung oft an das Wort der großen Freya Klier: „Das Beste an der DDR war ihr Ende.“

Meine Damen und Herren,
ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und darf Sie um eine Minute des Schweigens, der stillen Einkehr und des Gebets im Gedenken an die Opfer der Berliner Mauer bitten.

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